Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.3

Thema: Rassismus
ARBEITSPAPIER

C.3 Thema: Rassismus; Arbeitspapier

Können Weiße eine ethnische Community bilden?

Warum wir uns mit dem Weiß-Sein beschäftigen …

Falls ihr Weiß seid: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass ihr Weiße seid? Weil es in unserer Gesellschaft als „normal“ gilt, weiß zu sein, nehmen Weiße ihr „Weiß-Sein” oft nicht wahr. Dagegen fallen die auf, die „nicht-weiß“ sind. Für die Farbe Weiß sind wir blind, Schwarz dagegen wirkt auffällig. Aufgrund dieser „Farbenblindheit” sind die an weiße Hautfarbe geknüpften Privilegien fast nie Gegenstand einer Auseinandersetzung. Wie kommt es, dass wir das Wort „Schwarzafrikaner” kennen, jedoch nicht „Weißafrikaner” oder „Weißeuropäer”?

Wir haben zahlreiche Vorstellungen darüber, wo wir Weiße erwarten, z. B. in Chefetagen und wo wir Schwarze treffen, z. B. als Zimmermädchen, Musiker oder Plantagenarbeiter. In welcher Hautfarbe stelle ich mir Romanfiguren vor? Bin ich überrascht, beim Vorstellungsgespräch einem weißen Chef gegenüber zu sitzen? Hat mein Gegenüber am Telefon eine Hautfarbe? Wird meine Kompetenz aufgrund meiner Hautfarbe in Frage gestellt?

Die Kolonien in den Köpfen

„Der Schwarze” ist für Weiße eine öffentliche Figur. Jeder weiß, was ein Schwarzer ist und, was ihn auszeichnet. Weiße haben dazu Bilder im Kopf. Auch wenn diese Assoziationen auf den einzelnen als Schwarz erkannten Menschen nicht zutreffen, wird er so gesehen und behandelt. Treffen Schwarze und Weiße aufeinander, werden die einen zu Beobachtern, die anderen zu Beobachteten. Dazu gehört das Sich-beschattet-Fühlen und Sich-als-Urteilsmächtiger-Aufspielen. So wird die Immunität der Masse für Schwarze aufgehoben. Für die Weißen ist „der Schwarze” durch besondere Eigenschaften charakterisiert: Er gilt als gefährlich, braucht in bestimmten Situationen Hilfe; er wird ausgegrenzt und hat einen besonderen Körper. Er gilt als „besonders“, ohne selbst Besonderes mitzuteilen. Er trifft auf Voreingenommenheit. Er trägt Zeichen, die er als Hervorgehobener in Rechnung stellen muss, wenn er sich öffentlich bewegt. Die an die Hautfarbe gebundenen kolonialen Assoziationen setzen beide Seiten in dem, was sie voneinander erwarten unter Druck: Man ist der, der so gesehen wird – man ist der, der so beobachtet. Der Schwarze sieht sich als Schwarzer beobachtet; der Weiße sieht sich genötigt, so zu tun, als sei der andere „ganz normal” oder er ist hilfsbereit und so fort. Im direkten Kontakt sorgt die Typisierung für Befangenheit. Die Assoziationen heben Schwarze nicht nur heraus, sondern negieren ihre Individualität. Sie rücken eine gedachte Gruppenzugehörigkeit in den Vordergrund. Wer als Vertreter der Gruppe der „Schwarzen” öffentlich identifiziert und beobachtet wird, wird womöglich „ausländisch“ angesprochen, Typisches gefragt (Seit wann sind Sie denn hier?); umsorgt; mißtrauisch beäugt; gemieden. Das Besondere dieses Spießrutenlaufens tritt dann hervor, wenn der so Angesprochene hier geboren und womöglich gar Deutscher ist. Das übliche Kontaktverhalten wird dann unmittelbar peinlich: etwa das Anreden in Ausländisch und die Antwort im schwäbischen Dialekt (vgl. Scheffer 1997).

Die erlernte und als normal vorausgesetzte Rollenverteilung hat Konsequenzen sowohl für die, die nicht zur Weißen Mehrheit gehören, als auch für die, die „dazu gehören”. Wenn Nicht-Dazugehören heißt, angestarrt und diskriminiert zu werden, dann ist Dazu–Gehören mit dem relativen Privileg verbunden, nicht angestarrt oder diskriminiert zu werden. Um dieses Ungleichgewicht zu verändern, müssen Weiße bereit sein, ihre alltägliche Verwicklung in ein oft widersprüchliches Geflecht aus Privilegien und Unterordnungen mit dem Ziel der Veränderung wahrzunehmen. Es ist die Frage, ob wir wahrnehmen, dass die Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen durch Macht gekennzeichnet sind.

„Black is beautiful”, postulierte das us-amerikanische Black Panther Movement. Die Aktivisten behaupteten mit Selbstzuschreibungen wie „Schwarze” oder „coloured people” selbstbewusst die eigene Würde gegen die Respektlosigkeit der Weißen. Auch das Wort Afro-Deutsche ist neben seiner Bedeutung als Selbstdefinition Schwarzer Deutscher ein Einspruch gegen die angenommene Selbstverständlichkeit, mit der sich Deutschland nach wie vor als weiße Nation darstellt. Schwarze Bewegungen sprechen von „Blackness” als einer politischen Realität, die nicht nur die Hautfarbe meint, sondern auch den gesellschaftlichen Status, den Schwarze gegenüber Weißen haben. Diese und andere Schwarze Bewegungen fordern Rassismus unter dem Titel „Whiteness” nicht nur als Unterdrückungs-, sondern auch als Privilegierungsmechanismus zu analysieren und die Auswirkungen der verdrängten kolonialen Geschichte wahrzunehmen und zu verändern.

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A
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C.9
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C.10
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D
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