Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.3

Thema: Rassismus
PLANUNGSHILFE

C.3 ; Planungshilfe

… mehr als ein Vorurteil

Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis

in Deutschland großgeworden habe ich gelernt,
dass mein name ‘neger(in)’ heißt
und die menschen zwar gleich, aber verschieden sind
und ich in gewissen punkten etwas überempfindlich bin
May Ayim

Ziele

Wer über Rassismus redet, merkt bald, dass die eigene Definition nicht allgemeingültig ist. „Das ist doch nicht rassistisch“, heißt es oft. In diesem Kapitel findet ihr Hintergrundinformationen, Aktivitäten und Arbeitspapiere für eine gemeinsame Verständigung über Rassismus: Was ist gemeint, wenn von Rassismus die Rede ist?

Rassismus ist mehr als nur ein individuelles Vorurteil, das es durch Aufklärung zu widerlegen gilt. Wir begreifen Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis von Ein- und Ausschluss, dem sich niemand entziehen kann. Die damit einhergehende gesellschaftliche Einordnung in Inländer – Ausländer, Mehrheit – Minderheit bestimmt unsere tägliche Wahrnehmung. Die Materialien sollen anregen, diese hierarchische Ordnung zu untersuchen, die eigene Position darin wahrzunehmen und sich dazu zu verhalten.

Was & Wie? Inhalte und Methoden

Am Anfang des Kapitels findet ihr einen Hintergrundtext zu unserem Verständnis von Rassismus als einem umkämpften gesellschaftlichen Machtverhältnis mit einem historischen Abriss seiner Entstehung und Entwicklung.

Auf der 5-cd gibt es darüber hinaus eine Zusammenfassung verschiedener Rassismus-Theorien.

One race: human race. Wer sich mit Rassismus auseinandersetzt, wird um die Klärung der Frage, ob es unterschiedliche „Rassen“ gibt, nicht herumkommen. Wissenschaftlich ist die Existenz unterschiedlicher „Rassen“ längst widerlegt. Die lange Geschichte rassistischer Theorien hat jedoch ihre Spuren im Alltagsbewusstsein hinterlassen.

Formen von Rassismus. Rassismus hat viele Gesichter, alte und neue. Europäische ArbeitsmigrantInnen erleben andere Formen von Rassismus als schwarze Menschen. Es gibt einen spezifischen Rassismus gegen Roma (Antiziganismus) sowie gegen Menschen islamischen Glaubens bzw. aus muslimischen Ländern (antiislamischer Rassismus). Auch das Spektrum der Verantwortlichen ist breit: Es gibt individuellen, institutionellen und staatlichen Rassismus; unmittelbar und mittelbar (strukturell) rassistisches Verhalten. Die hier angebotenen Materialien unterstützen dabei, diese verschiedenen Formen zu analysieren und sich mit verschiedenen Definitionen von Rassismus auseinander zu setzen.

Hilfreich sein kann dabei auch:

Geschichte oder Gegenwart: Kolonialismus. Noch heute werden kolonialgeschichtlich geprägte Bilder und Denkweisen in aktuellen Überlieferungen wie Karikaturen, Kinderbüchern, Pfadfinderliedern, Familienerzählungen, Filmen sowie im Schulunterricht tradiert. Die folgenden Materialien werfen einen Blick zurück in die Geschichte des deutschen Kolonialismus, um gegenwärtige rassistische Stereotype, aber auch die globale Arbeitsteilung zu verstehen.

Kolonien in den Köpfen: Hautfarbe und Rassismus. Die mit den Hautfarben verbundenen Zuschreibungen von Weiß und Schwarz basieren auf kolonialen Bildern, in denen Weiß und Schwarz die Pole einer Hierarchie bilden, die noch heute wirkt.

Am Anfang des Abschnitts findet ihr ein Arbeitspapier zur Einführung in das Thema:

Die Sexualisierung von rassistischen Bildern ist im Schwarz-Weiß–Schema am ausgeprägtesten zu finden. Mit einer Analyse von Körperbildern in Illustrierten kann man diese Bildersprache einfach nachvollziehen.

Die folgenden Aktivitäten können zur Sensibilisierung für die gesellschaftliche Bedeutung von Hautfarben und die damit verbundenen Lebensrealitäten eingesetzt werden:

Leben in einer rassistischen Gesellschaft – Biografische Texte. MigrantInnen, Schwarze Deutsche, AusländerInnen und Flüchtlinge werden in der öffentlichen Darstellung fast immer in Schablonen gepresst: Sie machen Probleme und werden deshalb als Täter wahrgenommen – oder haben welche und gelten deshalb als Opfer. Als handlungsfähige Menschen jedoch kommen sie in diesen Bildern fast nicht vor. Auch gut gemeinte, antirassistische Initiativen machen MigrantInnen regelmäßig zu Opfern und ignorieren ihre besonderen Perspektiven und Erfahrungen. Deswegen haben wir unter dem Titel „Leben in einer rassistischen Gesellschaft – biografische Texte“ Selbstzeugnisse in den Baustein aufgenommen, in denen über Erfahrungen mit Rassismus sowie verschiedene Umgangsweisen damit berichtet wird.

Methodische Anregungen zum Umgang mit den Biografien im Seminar findet ihr in:

Dass viele Leute über das Leben von MigrantInnen und Flüchtlingen wenig wissen (wollen) und die darin enthaltenen Schwierigkeiten, Erfahrungen und Kämpfe nicht kennen, ist für uns Teil des Problems. Wir empfehlen deshalb auch einen Blick in das KAPITEL C.8, MIGRATION und andere Kapitel des Bausteins.

Rassismus ist kein Schicksal. Wir gehen davon aus, das alle Menschen in dieser Gesellschaft Erfahrungen mit Rassismus haben: entweder, weil sie selbst rassistisch diskriminiert werden, oder, weil sie Rassismus gegenüber anderen erlebt haben, oder, weil sie von Rassismus als Mehrheitsdeutsche – gewollt oder ungewollt – profitieren. Das bedeutet, dass eine Beschäftigung mit Rassismus / Antirassismus nicht von der Gegenwart von MigrantInnen abhängig ist, sondern dass es auch und gerade in einem Seminar, wo die Teilnehmenden der weißen, deutschen Mehrheit angehören, möglich und notwendig ist, über Rassismus zu sprechen!

Die eigene Verwicklung in rassistische Traditionen wahrzunehmen, ist anstrengend und zunächst belastend, weil dadurch die Notwendigkeit offensichtlich wird, selbst etwas verändern zu müssen, was nicht immer einfach ist. Die folgenden Aktivitäten eignen sich dazu, an die unterschiedlichen eigenen Erfahrungen anzuknüpfen, die von anderen wahrzunehmen und ausgehend von einer erweiterten Sichtweise neue Handlungsoptionen zu entwickeln und auszuprobieren.

Falls ihr Weiß seid: Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, dass ihr Weiße seid? Weil es in unserer Gesellschaft als „normal“ gilt, weiß zu sein, nehmen Weiße ihr „Weiß-Sein“oft nicht wahr. Dagegen fallen diejenigen auf, die „nicht-weiß“ sind. Aufgrund dieser „Farbenblindheit“ sind die an weiße Hautfarbe geknüpften Normen fast nie Gegenstand der Auseinandersetzung.

Tipps für TeamerInnen

Auch viele TeilnehmerInnen und TeamerInnen haben die Erfahrung gemacht, rassistisch diskriminiert oder angegriffen zu werden. Dafür sollte im Seminar Raum sein. Bereits in der Orientierungsphase KAPITEL B.1, JETZT GEHT'S LOS und der Phase der Erfahrungshebung KAPITEL B.2, ERFAHRUNGEN können diese einbezogen werden. Eigene Erfahrungen im Seminar zu thematisieren, braucht eine sensible Gruppe und ein sensibles Team. Es muss jederzeit die Möglichkeit geben, neu zu entscheiden, wer was wie erzählen möchte – oder auch nicht. Migrantische / schwarze TeilnehmerInnen dürfen nicht „vorgeführt“ oder in die Rolle der „Anderen“ gedrängt werden! In „gemischten“ Gruppen kann es sinnvoll sein, die Gruppe zumindest zeitweilig für eine erfahrungsbezogene Gruppenarbeit zu trennen.

Übersicht
A
Idee, Hintergrund, Konzeption
B.1
Jetzt geht's los!
B.2
Erfahrungen
B.3
Gesellschaft begreifen
B.4
Tu was!
B.5
Wie die Zeit verging
B.6
Themenungebundene Methoden
C.1
Von Vor- und anderen Urteilen
C.2
Antisemitismus entgegentreten
C.3
Rassismus als gesell. Verhältnis
C.4
Rassismus und Sprache
C.5
Sicherheit und Gewalt
C.6
Rechte Bilderwelten
C.7
Nation und Nationalismus
C.8
Migration
C.9
Weltarbeit und Wirtschaftswelt
C.10
Diskriminierung
D
Literatur, Medien, Adressen
E
Register, Inhalt
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