Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.5

Thema: Sicherheit
ARBEITSPAPIER

C.5 Thema: Sicherheit; Arbeitspapier

Die Zahlen sprechen für sich?

Kriminalstatistik

D ie sogenannte „Ausländerkriminalität“ ist immer Stoff für Auseinandersetzungen. „Kriminelle Ausländer raus“ ist nicht etwa nur ein aktueller Werbeslogan der rechtsextremen DVU (Wahlplakat zur Bremer Bürgerschaftswahl 2003), sondern wurde inhaltlich auch bereits 1997 von Bundeskanzlerkandidat Schröder gefordert: „Wer das Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus und zwar schnell“. (Die Bild am Sonntag betitelte dies am 20. 7. 97 mit: „Schröder: Kriminelle Ausländer raus“).

Die Polizeiliche Kriminalstatistik – nur Zahlen und Fakten?

Bezugspunkt für mediale wie politische Debatten um die sogenannte „Innere Sicherheit“ ist meist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die jedes Jahr neu vom Bundeskriminalamt herausgegeben wird. Dabei gelten die der Statistik entnommenen Zahlen und Daten als objektive Realität, die für sich spricht. Aber was können wir dieser Statistik tatsächlich entnehmen?

Viele Zahlen, auf die Bezug genommen wird, geben lediglich die Anzahl der Tatverdächtigen wieder, also derjenigen Personen, die einer Tat verdächtigt wurden – was noch nichts darüber aussagt, ob sie sie tatsächlich begangen haben oder nicht. Eine höhere oder niedrigere Zahl von Tatverdächtigen lässt keine simplen Rückschlüsse auf die Kriminalitätsentwicklung zu, denn:

  • Wird beispielsweise ein Anstieg der Tatverdächtigenzahlen im Bereich Ladendiebstahl registriert, kann dies eventuell durch eine erhöhte Überwachung zu erklären sein, weil ein größeres Augenmerk auf „verdächtigen“ Personen liegt.
  • Wird ein Anstieg von Tatverdächtigen registriert, kann dies auch eine Aussage über das Anzeigeverhalten der Bevölkerung sein. Wieso stieg der Anteil der „nichtdeutschen Tatverdächtigen“ in den Jahren 1992 / 93 plötzlich fast ins Doppelte? Wer sich das damalige politische Klima ins Gedächtnis ruft, das stark von politischer Hetze und Dramatisierungen bezüglich vermeintlicher „Scheinasylanten“ sowie einer Zunahme von Übergriffen gegen MigrantInnen geprägt war, findet eine andere Erklärung dafür als eine Zunahme von „Kriminalität“ seitens MigrantInnen. „Richtig gelesen enthält die PKS keine Daten über ‘Ausländerkriminalität’, sehr wohl aber über Rassismus“, schreibt Oliver Brüchert, Mitherausgeber der Neuen Kriminalpolitik.

Die sogenannte „Ausländerkriminalität“ oder: Wie kriminell sind eigentlich Bankangestellte?

Die Zahlen von vermeintlichen „kriminellen Ausländern“ sind auch aus weiteren Gründen sehr kritisch zu betrachten:

  • Wer sind eigentlich die „Ausländer“? In dieser Statistik fallen alle unter die „nichtdeutschen Tatverdächtigen“, die keinen deutschen Pass haben, also auch Durchreisende etc. Beim Bezug auf die Zahlen werden sie aber in der Regel auf die „ausländische“ Wohnbevölkerung angerechnet.
  • Welche Straftaten? In die Statistik fließen Straftatbestände ein, die nur Menschen ohne deutschen Pass begehen können, nämlich Vergehen gegen das Asyl- oder Ausländergesetz, wie z. B. eine unerlaubte Einreise bei einer Flucht oder ein mehrmaliges Verlassen des zugewiesenen Landkreises bei InhaberInnen einer Duldung.
  • Wer wird hier verglichen? Der Vergleich zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen passt auch insofern nicht, als dass sich die Bevölkerungsstruktur stark unterscheidet. Unter den Nichtdeutschen ist der Anteil sozial benachteiligter, von Arbeitslosigkeit und Armut betroffener Personen deutlich höher als unter den Deutschen, ebenso die Zahl der jungen Männer zwischen 16 und 25, die jeweils generell häufiger in der Tatverdächtigenkartei auftauchen.
  • Wieso überhaupt „Ausländerkriminalität“? Als Hauptfrage bleibt, wieso die Kategorie „Ausländerkriminalität“ überhaupt existiert und weitgehend als selbstverständlich hingenommen wird. Denn der Begriff suggeriert einen inneren Zusammenhang zwischen Kriminalität und dem Status als „AusländerIn“. Würde die Statistik Kategorien wie „Beamtenkriminalität“ oder „gewerkschaftlich organisierte Tatverdächtige“ einführen, würde eine solche Verbindung höchstwahrscheinlich starke Proteste auslösen.


Brüchert, Oliver (2000): Die Ausländerkriminalität sinkt nicht! Der Zusammenhang von Kriminalstatistik und Rassismus. Bürgerrechte und Polizei / CILIP 65 (1/2000).

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