Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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Thema: Sicherheit
Wie ein „ausländischer Tatverdächtiger“ entsteht Die polizeiliche Kriminalstatistik weist nicht TäterInnen, sondern Tatverdächtige aus (siehe auch AP arbeitspapier – Die Zahlen sprechen für sich? Kriminalstatistik. seite 263). Wie kommen Menschen dort hinein? Menschen mit schwarzer Hautfarbe kann es folgendermaßen passieren: Am 16. Januar 1998 brachte eine Verkäuferin bei der Polizei in Apolda (Thüringen) einen Ladendiebstahl zur Anzeige. Sie gab zu Protokoll: „(...) Am gestrigen Tag, den 15. 01. 1998, befand ich mich allein im Geschäft, betraten gegen 16.10 Uhr mir zwei unbekannte männl. Personen, vom Aussehen her Neger, das Geschäft. Einer dieser Neger trug eine größere Tasche bei sich. Alle beide Personen verteilten sich im Geschäft. Einer der Neger probierte mehrmals verschiedene Hosen an. Diesen Herrn beobachtete ich. Der andere stand in der Ecke, seitlich links von mir, und sah sich im Laden um. Gegen 16.20 Uhr verließen alle beide das Geschäft. Als die beiden gingen, sah ich im Laden herum und stellte fest, dass von einem Kleiderständer eine Jacke der Marke Sunshine, Farbe schwarz mit weißen Streifen an beiden Ärmeln, im Wert von 998.– DM entwendet wurde. Weiter stellte ich noch fest, dass in der Nähe des Ausganges eine weitere Jacke der Marke Cordon, Farbe schwarz mit weißer Aufschrift: „Cordon Industries C.R.N“ auf dem Rücken, im Wert von 749.– DM entwendet wurde. Ich begab mich sofort nach dieser Feststellung in die Marktpassage und suchte beide Neger. Ich konnte sie nicht mehr feststellen. Beschreiben kann ich sie wie folgt:
Ob die Jacken mit Sicherheit noch da waren, als die Beschuldigten den Laden betraten, diese Frage wird von der Verkäuferin nicht beantwortet. Die Polizei verzichtet darauf, zu bestimmen, ob der Sachverhalt eindeutig ist. Während der Anzeigenaufnahme in dem Geschäft erscheint der Kaufhausdetektiv und teilt mit, dass er von dem Diebstahl Kenntnis habe: „Zu den zwei genannten Personen von der Hautfarbe dunkel, nach Angaben der AE handelt es sich hier um Neger, teilt Herr XXX mit, dass er diese zwei Personen anhand der Personenbeschreibung kenne. Diese sollen desöfteren in der Marktpassage gewesen sein. Seiner Meinung nach sollen diese beiden genannten Personen im Ausländerwohnheim in Apolda, Stobraer Straße wohnen“, vermerkt die Polizei in den Akten. Zwei Schwarze mit schwarzen Haaren – und der Kaufhausdetektiv weiß bereits, dass sie im „Ausländerwohnheim“ wohnen. In der Gemeinschaftsunterkunft, bei der die Polizei vorstellig wird, ist es nicht möglich, eine Person namentlich zu benennen, auf welche die Beschreibung zutrifft. Die Ausländerbehörde gibt auf Grundlage dieser ungenauen Personenbeschreibung keine Lichtbilder heraus. Später wird ein Bewohner der Unterkunft im Kaufhaus verdächtigt, den Diebstahl begangen zu haben. Er und ein weiterer Bewohner werden von der Polizei verhört. Sie geben an, nichts mit dem Diebstahl zu tun zu haben. Einige Wochen danach werden in Erfurt zwei Schwarzafrikaner zur Polizei vorgeladen. Es wird ihnen unzulässigerweise nicht mitgeteilt, ob sie als Zeugen oder als Beschuldigte vernommen werden sollen. Bei der Polizei versucht man, sie zu fotografieren und sie erfahren, dass sie des Diebstahls in Apolda verdächtigt werden. Grund: sie hielten sich an jenem Tag in der dortigen Gemeinschaftsunterkunft auf. Wie wird ein Schwarzafrikaner zu einem Tatverdächtigen? Er hält sich in der gleichen Stadt auf, in der ein Diebstahl begangen wird. Die Bilanz: Vier „ausländische Tatverdächtige“ für einen Diebstahl, bei dem nicht erwiesen ist, dass er von „AusländerInnen“ begangen wurde. |
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Download: C5-Tatverdaechtiger.pdf |