Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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Thema: Nationalismus
Woher kommt der Standortnationalismus? Die gegenwärtige Situation ist von folgenden Prinzipien gekennzeichnet: Veränderung der globalen ProduktionEs kommt zu einer Internationalisierung von Produktion und Vermarktung durch neue Kommunikationstechnologien. Durch billige, schnelle Transportwege schrumpft die Welt. Daraus entsteht ein starker Auslagerungsdruck, weil fast überall produziert werden kann. Transportleistungen, Finanzdienstleistungen, Beratung, Forschung und Entwicklung, EDV, Montagen und Postdienste werden zunehmend international aus den Produktionsstandorten ausgelagert. So werden Arbeits-, Lohn- und Lebensbedingungen hergestellt, die mit gewerkschaftlich erkämpften Bedingungen nicht mehr viel zu tun haben. Bücher bei Amazon bestellen wir über Namibia, Daimler lässt Kundenanfragen europaweit in Call-Centern in Maastricht beantworten. Veränderung der Funktionsweise und Bedeutung von StaatenNationalstaatliche Entscheidungen im Bereich der Investitions-, Sozial-, und Finanzpolitik werden durch den hochflexiblen monetären Weltmarkt zunehmend in Frage gestellt. Dabei verändert sich die Rolle des Staates, ohne, dass jedoch seine Bedeutung schrumpft. Der Staat bzw. „die Politik“ ist nicht das Gegenüber der Wirtschaft, sondern selbst eine Instanz, die den Prozess neoliberaler Globalisierung vorantreibt. Der Staat ist gerade kein Hüter des Allgemeinwohls, an den man so appellieren könnte. Der Staat ist ein Terrain, auf dem die unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte um die Vorherrschaft ringen, und in diesem Verhältnis zählt gerade das Kapital. Staatliches Handeln will die Wettbewerbsbedingungen der deutschen Konzerne absichern und den Standort Deutschland in der Weltmarktkonkurrenz vorantreiben. Globale Konkurrenz um Arbeit und LohnDie Armut der eigenen Bevölkerung ist die Waffe der Nation im internationalen Kampf um den Reichtum. Der Ideologie nach müssen „wir“ Sieger in der Standortkonkurrenz bleiben. Um Arbeitsplätze und Lohn zu bekommen, müssen „wir“ hier produktiver und billiger arbeiten, als jeder Konkurrent auf der anderen Seite des Globus. Konkurrenz der UnternehmenAuch UnternehmerInnen charakterisieren ihre Situation als „weltweiten Konkurrenzkrieg“. Ihre Konkurrenz um maximale Profitraten ist Ausdruck des Zwangs, bei Strafe des Untergangs eigenes Kapital erhalten und vermehren zu müssen. Der Konkurrenzzwang selbst verbietet die Rücksichtnahme auf die lokale Ansiedlung der Produktionsstätten und die Interessen der Beschäftigten und Arbeitsuchenden, an ihrem „Standort“, ihrem Lebensort gut zu leben. SozialdumpingDer nationale „Wettbewerbsstaat“ ordnet innere Strukturen und Politik den Zwängen der internationalen Standortkonkurrenz unter. Dabei wird die nationale Ökonomie zunehmend weniger durch Klassenkompromisse geregelt. Sozialer und politischer Interessenausgleich, materielle Wohlfahrt und die gleichgewichtige Entwicklung von Räumen verlieren an Bedeutung. Massenwohlstand und nationales wirtschaftliches Wachstum entkoppeln sich zunehmend. Rhetorik der Härte, Anpassung und des Gürtel-enger-SchnallensDer transnationale Konkurrenzzwang zwingt alle diejenigen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, in Konkurrenz zueinander. Dieses Verhältnis wird gesellschaftlich als positiv umgewertet. PolitikerInnen profilieren sich damit „Härte zu zeigen, für deutsche Interessen, aber auch gegen sich selbst“. Rechtspopulisten gewinnen mit diesem Programm in ganz Europa an Zustimmung. Nutzen der Sachzwangrhetorik für weitere DumpingsSozialdumping und die zunehmende gesellschaftliche Spaltung sind nicht nur Ergebnis dieser Entwicklung, sondern auch Propaganda der UnternehmerInnen, die eine Chance darin sehen, mit der Rede von der Globalisierung die Lohnabhängigen gefügig zu machen. Das Schüren der Konkurrenz zwischen den Einzelnen, zwischen Fertigungsgruppen und Abteilungen, zwischen den Belegschaften eines Konzerns gehört ebenso zum Programm wie die Hetze gegeneinander und die Erpressung der Zulieferunternehmer, die den Druck an ihre Belegschaften weitergeben und die Subventions- und Sozialdumpingerpressung von Regional-, National oder Kommunalregierungen. Co-Management statt SozialpartnerschaftSozialpartnerschaftliche Strategien werden zunehmend durch Co-Managementprozesse ersetzt. Oft sehen diese aus wie ein Mehr an Mitbestimmung, als stärkten sie den Einfluss der Beschäftigten auf die Unternehmensplanung. Mitgestaltung heißt jedoch oft nur Mitgestalten der „Wettbewerbsfähigkeit“ und bedeutet die Reduktion eigener Interessen auf die „Standortsicherung“. Auf diese Weise werden Zugeständnisse wie Wochenendarbeit, tarifvertragswidrige Lösungen, Lohnverzicht bei Arbeitszeitverkürzung und neue Lohnsysteme erpresst, oder Tarifverträge durch Betriebsvereinbarungen ausgehebelt. Die abhängig Beschäftigten glauben zunehmend, dass nur durch das Gewinnen von Wettbewerbsvorteilen gegenüber Belegschaften anderer Betriebe und Länder die eigene Lohn-, Arbeitsplatz- und Lebensabsicherung erreicht werden kann. Nationale Standortrhetorik mobilisiert alle KräfteDer Standortwettstreit ist zur Mobilisierung aller Ressourcen auf die Identifikation aller mit der Nation angewiesen. Er behauptet einen sämtliche Interessengruppen übergreifenden Konsens im Bereich von Wirtschafts- und Sozialpolitik nach dem Motto: „Wir sitzen doch alle in einem Boot“. Gefährliche Mischung aus völkischem Staatsverständnis, Nationalismus, konkurrenzbedingten Ausschlusswünschen und RassismusDas geschichtlich und rechtlich begründete völkische Staatsverständnis führt dazu, dass die Standortgemeinschaft ethnisch einheitlich „deutsch“ gedacht wird. So entsteht eine gefährliche Mischung aus Rassismus und Standortnationalismus. Unter den Bedingungen des Konkurrenzdrucks lässt sich damit ethnische Differenz besonders leicht aufladen. Nationalistische Propagandisten inszenieren Globalisierung als Bedrohung und präsentieren sich selbst als Schutz vor dieser Bedrohung. Sie bedienen damit den „Abwehrnationalismus“ von unten. Zeitgleich erkennen neoliberale Modernisierer ihre Chance in einem Standortnationalismus von oben. Sie wollen die Gesellschaft nach dem Vorbild des Marktes umstrukturieren und Konkurrenzvorsprünge gegenüber Mitkonkurrenten auf dem Weltmarkt in materielle Vorteile für die Angehörigen des eigenen Wirtschaftsstandortes ummünzen. Nationalismus und Rassismus kanalisieren Aggressionen aus Leistungsstress gegen MinderheitenIdeologien der Ungleichheit sind ein Mittel, um Aggressionen und Unmut gegen alle zu kanalisieren, die nicht in das Bild vom Super-Standort passen. Autoritäre Orientierungen folgen dem neoliberalen Denken in der bedingungslosen Identifikation mit dem System und den in ihm propagierten Lebensweisen. Gefördert wird die Überidentifikation mit deutschen Wirtschaftsinteressen bzw. Unternehmensinteressen, die Übersetzung betriebswirtschaftlicher Logik auf alle Gesellschaftsbereiche, die Illusion der Selbstverwirklichung anstelle von Interessenvertretung und die Verdrängung globaler Probleme durch nationale Perspektivverengung. Die berechtigten Interessen der Einzelnen in Deutschland an gesellschaftlicher Teilhabe, dem Erhalt und der Verbesserung ihrer Lebensgrundlagen, einem fairen Lohn, Mitbestimmung, freiem Zugang zu Bildung und damit einer selbstbestimmten Lebensperspektive werden gegen die ebenso berechtigten Interessen von Menschen anderswo ausgespielt. Man kann doch eh’ nichts machenEs kommt zu einer Horizontverengung auf national beschränkte Solidarität und systemimmanente Lösungen; zu einer Logik des „Alle gegen Alle“ und zum Propagieren nur scheinbarer und gefährlicher oder höchst fragwürdiger Lösungen (Kontrolle der Finanzmärkte, Sanfter Kapitalismus und Personalisierung „des Bösen“, Sündenbockthesen, Weltverschwörungstheorien, Antisemitismus) anstelle der Entwicklung von Utopien und politischen Gesamtstrategien. Anregungen gefunden bei:
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Download: C7-Standortnationalismus.pdf |