Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.4

Thema: Sprache
HINTERGRUND

C.4 Thema: Sprache ; Hintergrund

BrandSätze

Wie sich rassistisches Denken sprachlich ausdrückt

Sprache ist ein Teil des Bemühens, Ordnung in die Welt zu bringen – durch Benennen werden die Dinge sortiert, klassifiziert, einer Kategorie zugeordnet. Jedes Zuordnen und Abgrenzen von Begriffen ist mit Handlungen des Einschließens und Ausschließens verbunden. Die gebräuchlichen Kategorien sind geprägt von den vorherrschenden gesellschaftlichen Denkmustern – und somit u. a. von Rassismus. An Sprache zeigt sich der vorhandene Rassismus, und gleichzeitig dient Sprache dazu, einen rassistischen Blick auf die Welt immer wieder herzustellen. Dadurch werden auch reale Ausschlüsse praktiziert und produziert – Sprache ist damit immer auch ein Machtinstrument.

Exotik
nachdem sie mich erst anschwärzten
zogen sie mich dann durch den kakao
um mir schließlich weiß machen zu wollen
es sei vollkommen unangebracht
schwarz zu sehen.

May Opitz

„Ausländer“ oder Inländer?

In der BRD sind viele mit der Einteilung schnell fertig: Wer nicht deutsch ist, ist eben ein „Ausländer“. Dass mit dieser Bezeichnung Menschen, die auf Dauer im Land leben, aus diesem herausdefiniert werden, fällt nur wenigen auf. Auch tut die allgemeine Zuordnung zu der Gruppe „Ausländer“ so, als wären die ihr Zugehörigen alle gleichartig, als würden sie sich allgemein von den Deutschen unterscheiden. Nicht zu überhören ist vielfach ein abwertender Unterton, wenn von „Ausländern“ die Rede ist: Nichtdeutsche Showstars und Leinwandidole, anerkannte SportlerInnen und SchriftstellerInnen, die sich hierzulande niedergelassen haben, werden jedenfalls üblicherweise nicht pauschal in diese Kategorie gesteckt. „Ausländer“ – damit sind heute schlicht diejenigen MigrantInnen gemeint (oder auch Menschen mit Migrationshintergrund, evtl. sogar mit deutschem Pass), denen ein großer Teil der Deutschen ablehnend gegenübersteht. Ob gezielt negativ gemeint oder nicht, eine Bedeutung enthält die Zuordnung „Ausländer“ auf jeden Fall: „Du bist nicht wie ich, du gehörst nicht dazu“. Und damit werden Menschen aussortiert, ob bewusst oder unbewusst.

Natürlich ist auch die Bezeichnung von Menschen als „MigrantInnen“ eine Festlegung auf eine besondere Rolle und damit auch nicht unproblematisch. Wir halten den Begriff als solches allerdings für weniger ausgrenzend und plädieren ansonsten dafür, grundsätzlich genau zu unterscheiden, wo eine Kategorisierung überhaupt notwendig ist (weil es vielleicht gerade um unterschiedliche gesellschaftliche Bedingungen geht), und wo sie gar nichts zur Sache tut und dementsprechend ohne irgendeine Extra-Kategorie von den Nachbarn, ArbeitskollegInnen oder Mitstudierenden geredet werden kann.

„Asylanten“ oder: Asylsuchende, AsylbewerberInnen, Flüchtlinge

Das Wort „Asylant“ wurde Anfang der 80er Jahre durch Politik und Medien geprägt – in Abgrenzung zu den Begriffen AsylbewerberIn und Flüchtling. Die Saarbrückener Zeitung schrieb am 12. 7. 1980: „Irgendein sprachlicher Übeltäter hat aus den in der Bundesrepublik Asylsuchenden ‘Asylanten’ gemacht und sie damit geistig abgeschoben“ (zitiert nach „Presse Macht Druck“ 1994, S. 15). Denn dieser neue Begriff tauchte vor allem da auf, wo Flüchtlinge nicht als schutzbedürftig dargestellt wurden, sondern als Bedrohung. Anfang der 90er spitzten sich diese Wertungen nochmal zu; Wortzusammensetzungen wie „Scheinasylant“ oder „Asylantenflut“ machten die Abwertung unmissverständlich deutlich und sorgten gleichermaßen dafür, den Flüchtlingsstatus anzuzweifeln bzw. abzusprechen. Mit dieser Vorgeschichte stellt „Asylant“ für uns einen diskriminierenden Begriff dar.

„Neger“ und der Blick auf Schwarze

Der Ausdruck „Neger“ stammt aus den Zeiten von Kolonialismus und Sklavenhandel. Damals wurde die Vorstellung von einer unterentwickelten, primitiven und wilden Menschen-„Rasse“, den „Negern“, geprägt, der Menschen mit schwarzer Hautfarbe zugeordnet wurden. Im Gegensatz zu den Weißen galten schwarze Menschen als minderwertig – eine Haltung, die bis heute nicht verschwunden ist. Davon zeugen Redewendungen wie: „Ich bin doch nicht dein Neger“ (was soviel bedeutet, wie: Ich bin doch nicht dein Handlanger oder Diener bzw. dein Dummer). Gleichzeitig dient die Farbe Schwarz in der deutschen Gesellschaft nach wie vor zur Bezeichnung des Bösen, Verbotenen, Unheimlichen etc.. In der Umgangssprache schlägt sich dies in Ausdrücken wie „schwarzfahren“, „Schwarzarbeit“, „schwarzsehen“ etc. nieder.

Diesem Sprachgebrauch hat die von schwarzen Menschen in den USA ins Leben gerufene antirassistische Bewegung eine bewusste Umbewertung der Farbe Schwarz entgegengesetzt: „Black is beautiful“ („Schwarz ist schön“). Diejenigen, die die Bezeichnung als „Schwarze“ für sich selbst gewählt haben, grenzen sich von der Sprache der UnterdrückerInnen (und damit u. a. dem rassistischen Begriff „Neger“) ab.

Der Ausdruck „Farbige“ ist – zumindest, wenn er als Fremdbezeichnung verwendet wird – problematisch. Zum einen transportiert er die rassistische Vorstellung, dass „Weiße“ nicht „farbig“ wären und sich durch diese Eigenschaft abheben würden. Allerdings gibt es teilweise auch hier den Gebrauch dieses Begriffs als positive Selbstbezeichnung, so z. B. „women of colour“, wodurch die Unterschiede zwischen Frauen verschiedener „Hautfarben“ berücksichtigt und nicht verwischt werden sollen.

Rassistische Witze

Wer kennt sie nicht, die Witze, in denen z. B. ein (weißer) Missionar das Opfer von (schwarzen) Kannibalen wird? Die Botschaft solcher Witze ist klar: Schwarze sind ohne Zivilisation, sind gefährlich. Die Weißen jedenfalls müssen sich vor ihnen in acht nehmen. Neben der Charakterisierung als bedrohlich gibt es oftmals auch die Darstellungen als lächerlich, dumm, primitiv.

Andere Witz-Gattungen lassen Aggressionen freien Lauf: Sie verharmlosen rassistische Gewalt, machen sich über die Opfer lustig.

Witze schaffen es oft, die moralische Kontrolle aggressiver Regungen außer Kraft zu setzen; die innere „Zensur“ wird durch einen Überraschungseffekt unterlaufen. Der Spaß am rassistischen Witz erwächst aus der – plötzlich möglichen – Freisetzung unterdrückter Aggression, aus Triumph und Überlegenheitsgefühl gegenüber den Leidtragenden im Witz. Kritik kann mit der Formulierung „Das war doch nur Spaß“ oft schnell wieder weggewischt werden. Dabei ist es weder witzig noch harmlos, wenn Stereotypen und Feindbilder auf diese Weise Raum bekommen und weiterverbreitet werden.

Herabsetzendes Verhalten im Gespräch mit MigrantInnen

„Auch die Ärzte sind sofort per Du, und am besten ist es noch, wenn wir in Ausländerdeutsch angeredet werden: ‘Du mich verstehen? Du was haben?’ Total lächerlich. Kann sein, dass einer kein Deutsch kann. Aber dann lerne ich es auch nicht, wenn jemand so mit mir redet“ (Maimuna K., 18. Jahre alt, in Darmstadt geboren, zitiert nach Schütze 1996, S. 18 / 19).

Dienen beim Sprechen über MigrantInnen vor allem abwertende oder ausgrenzende Vokabeln zur Herabsetzung, so geschieht dies im Gespräch mit ihnen auf eine andere Weise: Sie werden oft mit „du“ angesprochen oder mit primitiven, grammatikalisch falschen Sätzen. Dabei wird oft allein durch bestimmte Äußerlichkeiten davon ausgegangen, dass die so angesprochenen Menschen kein Deutsch können – eine Erfahrung, die auch Schwarze Deutsche immer wieder machen. Oftmals drückt sich die Abwertung auch im Nicht-Ernstnehmen als GesprächspartnerInnen oder in völliger Nichtbeachtung aus.

Sprache und Gesellschaft

Wo Rassismus herrscht, ist sicherlich keine nicht-rassistische Sprache möglich. Ebenso verändern neue Begriffe nicht gleich gesellschaftliche Rahmenbedingungen, sondern sind im schlimmsten Fall lediglich eine neue Hülle für altes Denken. Andererseits wird durch die unreflektierte Weiterbenutzung von rassistischen Begriffen der bestehende Rassismus aber permanent reproduziert. Zudem kann die inhaltliche Auseinandersetzung mit Sprache und Begriffen auch ein Ausgangspunkt sein, das eigene Denken zu hinterfragen und zu ändern. Insofern halten wir eine anti-rassistische Sprachkritik für wichtig und notwendig – das aber im Zusammenspiel mit einer Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen.

Literatur:
Antirassismus-AG im Welthaus Bielefeld (1994): Presse Macht Druck. Bielefeld.
Oguntoye, Katharina / Opitz, May / Schultz, Dagmar (Hg.)(1992): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. Frankfurt a. M..
Schütze, Dorothea (1996): „Ich hatte kein Kleingeld ...“ Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus in Darmstadt. Darmstadt.

Übersicht
A
Idee, Hintergrund, Konzeption
B.1
Jetzt geht's los!
B.2
Erfahrungen
B.3
Gesellschaft begreifen
B.4
Tu was!
B.5
Wie die Zeit verging
B.6
Themenungebundene Methoden
C.1
Von Vor- und anderen Urteilen
C.2
Antisemitismus entgegentreten
C.3
Rassismus als gesell. Verhältnis
C.4
Rassismus und Sprache
C.5
Sicherheit und Gewalt
C.6
Rechte Bilderwelten
C.7
Nation und Nationalismus
C.8
Migration
C.9
Weltarbeit und Wirtschaftswelt
C.10
Diskriminierung
D
Literatur, Medien, Adressen
E
Register, Inhalt
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