Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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Thema: Nationalismus
Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland und Europa Unterschiedliche Nationenbegriffe spiegeln sich auch im modernen Staatsbürgerschaftsrecht wider. So war in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Gesetzesreform im Jahr 2000 die Staatsangehörigkeit der Kinder an die der Eltern gekoppelt (jus sanguinis = „Recht des Blutes“). In anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden hingegen erhalten schon lange Kinder, die im Land geboren werden (jus soli = „Recht des Bodens“), unter bestimmten Voraussetzungen die Staatsangehörigkeit, auch wenn beide Elternteile aus anderen Ländern eingewandert sind. „Nach dem alten, noch aus dem Kaiserreich stammenden Staatsangehörigkeitsrecht von 1913 galt als wesentlicher Grund für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft das Prinzip der Abstammung, also das ‘Recht des Blutes’ (…). Von diesem Rechtsprinzip leitete sich das Verständnis des Staatsvolkes als einer ‘völkisch-nationalen-ethnischen’ Gemeinschaft ab, die sich durch Ideologien von Blut und Boden sowie einer besonderen Staatstreue auszeichnete. Nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts basiert die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr allein auf dem Abstammungsprinzip, sondern gründet nunmehr auch mit der gesetzlichen Anerkennung des jus soli auf dem ‘republikanisch-demokratischen-konstitutionellen’ Prinzip.“ (Storz / Reißland 2002, S. 72) Seit der im Januar 2000 in Kraft getretenen Gesetzesänderung gibt es nun auch für in Deutschland geborene Kinder die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit durch ihren Geburtsort zu erlangen: Wenn ihre Eltern bestimmte aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen erfüllen (siehe Tabelle), werden die Kinder zum Zeitpunkt der Geburt im Inland automatisch Deutsche (zu Aufenthaltstiteln siehe: kapitel c.8, migration. 5-cd). Sobald die Kinder volljährig sind, müssen sie sich jedoch für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Begründet wurde dies von deutschen PolitikerInnen unter anderem damit, dass aus dem Besitz zweier oder gar noch mehr Staatsangehörigkeiten nationale Loyalitätskonflikte entstehen könnten. Andere europäische Länder scheinen hierin keine besondere Gefahr zu sehen. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden können doppelte Staatsangehörigkeiten in der Regel problemlos erlangt werden. Mit einer Ausnahme: Durch ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich ist es nicht möglich, gleichzeitig deutsch und französisch sein zu wollen. Italien indessen hat die Frage der Loyalität zur Nation so gelöst: „Ein Italiener (…), der eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt oder erwirbt, darf gar nicht auf seinen italienischen Pass verzichten. Er ist zwangsläufig Doppelstaatler“ (Hénard, Jaqueline u. a. in: Die Zeit 1999 Nr. 03, zitiert nach Storz / Reißland 2002, S. 250).
*: Nicht berücksichtigt werden in der Tabelle Personengruppen, die von Einbürgerungserleichterungen betroffen sind, wie zum Beispiel Kinder von ehemaligen Deutschen oder Kontingentflüchtlinge. Auch für die Miteinbürgerung von Ehegatten und minderjährigen Kindern gelten kürzere Aufenthaltszeiten im Inland. Die Tabellen wurden uns von Anne Wengenroth und Sabine Schneller, Referentinnen der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, zur Verfügung gestellt.
Dieser Text wurde seit der Auflage von 2003 verändert: Die zwei Tabellen wurden an einigen Stellen überarbeitet. Die Spalte „Anteil AusländerInnen an Wohnbevölkerung“ ist in beiden Tabellen nun komplett gestrichen worden, da sie ohne ausführlichere Erklärung oder ergänzendes Zahlenmaterial keine eindeutige Aussagekraft hat und vielfach zu der falschen Schlussfolgerung führte, hier würde die reale Zuwanderung widergespiegelt. |
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Download: C7-Staatsangehoerigkeit.pdf |