Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.7

Thema: Nationalismus
HINTERGRUND

C.7 Thema: Nationalismus; Hintergrund

Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland und Europa

Unterschiedliche Nationenbegriffe spiegeln sich auch im modernen Staatsbürgerschaftsrecht wider. So war in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Gesetzesreform im Jahr 2000 die Staatsangehörigkeit der Kinder an die der Eltern gekoppelt (jus sanguinis = „Recht des Blutes“). In anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden hingegen erhalten schon lange Kinder, die im Land geboren werden (jus soli = „Recht des Bodens“), unter bestimmten Voraussetzungen die Staatsangehörigkeit, auch wenn beide Elternteile aus anderen Ländern eingewandert sind.

„Nach dem alten, noch aus dem Kaiserreich stammenden Staatsangehörigkeitsrecht von 1913 galt als wesentlicher Grund für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft das Prinzip der Abstammung, also das ‘Recht des Blutes’ (…). Von diesem Rechtsprinzip leitete sich das Verständnis des Staatsvolkes als einer ‘völkisch-nationalen-ethnischen’ Gemeinschaft ab, die sich durch Ideologien von Blut und Boden sowie einer besonderen Staatstreue auszeichnete. Nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts basiert die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr allein auf dem Abstammungsprinzip, sondern gründet nunmehr auch mit der gesetzlichen Anerkennung des jus soli auf dem ‘republikanisch-demokratischen-konstitutionellen’ Prinzip.“ (Storz / Reißland 2002, S. 72)

Seit der im Januar 2000 in Kraft getretenen Gesetzesänderung gibt es nun auch für in Deutschland geborene Kinder die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit durch ihren Geburtsort zu erlangen: Wenn ihre Eltern bestimmte aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen erfüllen (siehe Tabelle), werden die Kinder zum Zeitpunkt der Geburt im Inland automatisch Deutsche (zu Aufenthaltstiteln siehe: kapitel c.8, migration. 5-cd).

Sobald die Kinder volljährig sind, müssen sie sich jedoch für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Begründet wurde dies von deutschen PolitikerInnen unter anderem damit, dass aus dem Besitz zweier oder gar noch mehr Staatsangehörigkeiten nationale Loyalitätskonflikte entstehen könnten. Andere europäische Länder scheinen hierin keine besondere Gefahr zu sehen. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden können doppelte Staatsangehörigkeiten in der Regel problemlos erlangt werden. Mit einer Ausnahme: Durch ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich ist es nicht möglich, gleichzeitig deutsch und französisch sein zu wollen. Italien indessen hat die Frage der Loyalität zur Nation so gelöst: „Ein Italiener (…), der eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt oder erwirbt, darf gar nicht auf seinen italienischen Pass verzichten. Er ist zwangsläufig Doppelstaatler“ (Hénard, Jaqueline u. a. in: Die Zeit 1999 Nr. 03, zitiert nach Storz / Reißland 2002, S. 250).

Einbürgerung im europäischen Vergleich

Großbritannien Frankreich Niederlande
Erwerbsprinzip der Einbürgerung Erwerb durch Abstammung, wenn ein Elternteil die britische Staatsangehörigkeit (StA) besitzt. Erwerb durch Geburt im Inland, wenn sich ein Elternteil mit einer unbegrenzten Aufenthaltserlaubnis im Inland niedergelassen hat. Erwerb durch Abstammung, wenn ein Elternteil die französische Staatsangehörigkeit besitzt. Erwerb durch Geburt im Inland, wenn ein Elternteil seit mindestens 5 Jahren in Frankreich lebt. Erwerb durch Abstammung, wenn ein Elternteil die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt. Erwerb durch Geburt im Inland, wenn ein Elternteil selbst von einer im Inland lebenden Mutter geboren wurde.
2.+3. Generation: Optionen und Ansprüche Option für Minderjährige, wenn die o.g. Bedingungen erst nach der Geburt vorliegen, sowie für Minderjährige, die sich in den ersten 10 Jahren im Inland aufgehalten haben. Anspruch für diejenigen, die zwischen dem 11. und 18. Lebensjahr mindestens 5 Jahre lang in Frankreich gelebt haben. Option für Volljährige bis 25, die in den Niederlanden geboren sind und dort seit ihrer Geburt leben.
Einbürgerung nach Ermessen … nach 5 Jahren Inlandsaufenthalt mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis. … nach 5 Jahren Inlandsaufenthalt. … nach 5 Jahren Inlandsaufenthalt.
Doppelstaatsbürgerschaft Die Aufgabe der bisherigen StA wird nicht verlangt. Die Aufgabe der bisherigen StA wird i.d.R. nicht verlangt Die Aufgabe der bisherigen StA wird nicht verlangt

Staatsangehörigkeitsrecht in der Bundesrepublik Deutschland

BRD – alt (nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 sowie Ausländergesetz von 1991) BRD – ab 1.1.2000 (Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes, verabschiedet vom Bundestag am 7.5.1999)
Erwerbsprinzip der Einbürgerung* Erwerb durch Abstammung, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt Erwerb durch Abstammung, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Erwerb durch Geburt im Inland, wenn ein Elternteil seit mindestens 8 Jahren in Deutschland lebt und eine Aufenthaltsberechtigung (oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis) hat. Falls eine weitere StA vorliegt, muss i.d.R. bei Volljährigkeit zwischen beiden entscheiden werden.
2.+3. Generation: Optionen und Ansprüche Anspruch im Alter zwischen 16 und 18, falls:
  • Mindestens 8 Jahre gewöhnlicher Aufenthalt im Inland
  • 6 Jahre Schulbesuch im Inland
Anspruch generell, falls:
  • 15 Jahre Aufenthalt
und
  • Eigener Unterhalt
Erwerbsprinzip der Einbürgerung
Sonderfall: Kinder bis zu 10 Jahren, die vor dem 1.1.2000 geboren wurden und für die die Voraussetzungen für den Erwerb vorgelegen hätten, hatten nach In-Kraft-Treten des Gesetzes ein Jahr lang Anspruch auf Einbürgerung.
Einbürgerung nach Anspruch … nach 15 Jahren Inlandsaufenthalt … nach 8 Jahren Inlandsaufenthalt. Voraussetzungen:
  1. ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache
  2. Bekenntnis zum Grundgesetz
  3. Straflosigkeit
  4. Unterhaltsfähigkeit
Einbürgerung nach Ermessen des Ausländerbehörde … nach 10 Jahren Inlandsaufenthalt möglich … nach 8 Jahren möglich. Für politisch Verfolgte, Staatenlose etc. zum Teil früher
Doppelstaatsbürgerschaft Die Aufgabe der bisherigen StA wird i.d.R. verlangt Die Aufgabe der bisherigen StA wird i.d.R. verlangt. Dabei sollen Härtefälle vermieden werden.

*: Nicht berücksichtigt werden in der Tabelle Personengruppen, die von Einbürgerungserleichterungen betroffen sind, wie zum Beispiel Kinder von ehemaligen Deutschen oder Kontingentflüchtlinge. Auch für die Miteinbürgerung von Ehegatten und minderjährigen Kindern gelten kürzere Aufenthaltszeiten im Inland.

Die Tabellen wurden uns von Anne Wengenroth und Sabine Schneller, Referentinnen der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin, zur Verfügung gestellt.

Literatur:
Storz, Henning / Reißlandt, Carolin (Hg.) (2002): Staatsbürgerschaft im Einwanderungsland Deutschland. Handbuch für die interkulturelle Praxis in der Sozialen Arbeit, im Bildungsbereich, im Stadtteil. Leske + Budrich, Opladen.

Dieser Text wurde seit der Auflage von 2003 verändert: Die zwei Tabellen wurden an einigen Stellen überarbeitet. Die Spalte „Anteil AusländerInnen an Wohnbevölkerung“ ist in beiden Tabellen nun komplett gestrichen worden, da sie ohne ausführlichere Erklärung oder ergänzendes Zahlenmaterial keine eindeutige Aussagekraft hat und vielfach zu der falschen Schlussfolgerung führte, hier würde die reale Zuwanderung widergespiegelt.

Übersicht
A
Idee, Hintergrund, Konzeption
B.1
Jetzt geht's los!
B.2
Erfahrungen
B.3
Gesellschaft begreifen
B.4
Tu was!
B.5
Wie die Zeit verging
B.6
Themenungebundene Methoden
C.1
Von Vor- und anderen Urteilen
C.2
Antisemitismus entgegentreten
C.3
Rassismus als gesell. Verhältnis
C.4
Rassismus und Sprache
C.5
Sicherheit und Gewalt
C.6
Rechte Bilderwelten
C.7
Nation und Nationalismus
C.8
Migration
C.9
Weltarbeit und Wirtschaftswelt
C.10
Diskriminierung
D
Literatur, Medien, Adressen
E
Register, Inhalt
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