Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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Thema: Arbeit global
Globalisierung – Sachzwang oder Kampfbegriff ? Birgit Mahnkopf Ist die Globalisierung nur Ideologie?Die VertreterInnen dieser Auffassung stützen sich u. a. auf folgende Argumente:
Diese Tatsachen entkräften jedoch nicht die These, dass es eine neue Qualität der Globalisierung gibt. Die internationalen Verflechtungen z. B. finden heute auf einem neuen Niveau der Arbeitsproduktivität, des Kapitalstockes und des Ressourcenverbrauchs statt. Die Zahl transnationaler Unternehmen hat sich von 7 000 Anfang der 70er Jahre auf heute 40 000 vervielfacht. Der Verflechtungsprozess führt zu neuen Konzentrationen ökonomischer Macht. Der Jahresumsatz einiger transnationaler Unternehmen entspricht dem Bruttosozialprodukt (BSP) mittlerer Länder – so kommt beispielsweise Philipp Morris auf das BSP von Chile. Globalisierung, die Integration nationaler Ökonomien in den Weltmarkt, ist ein Prozess der Umverteilung und Umverlagerung, der neue Ungleichheiten herausbildet und bestehende verstärkt. Bei jeder Verlagerung von Arbeitsplätzen gehen mehr verloren als hinzukommen. Nicht nur Industrie- und Entwicklungsländer, sondern auch Entwicklungsländer untereinander konkurrieren um noch billigere Löhne und Standards. Was ist neu an der Globalisierung?1. These: Heute gibt es keine „weißen Flecken“ mehr auf der Karte des Weltmarktes, d. h. kapitalistische Verhältnisse greifen fast überall auf der Welt. Da die Grenzen der Ausdehnung auf der Erde erreicht sind, werden die Zwänge kapitalistischer Verwertung nach innen – Gen- und Biotechnologie – sowie nach außen – All, Meeresböden – gerichtet. 2. These: Es gibt keine „roten Flecken“, kein Gegenmodell mehr. Alle Versuche, sich unabhängig gegenüber (Welt-) Marktkräften zu machen (Planwirtschaft: Abschottung; Keynesianischer Interventions- und Sozialstaat: Regulierung; Importsubstitution in den Entwicklungsländern: Abkopplung) sind gescheitert. Mit dem Scheitern dieser Modelle gibt es keine Notwendigkeit mehr für den Kapitalismus, soziale Effizienz zu zeigen. Der Weltmarkt setzt Normen, die als Sachzwänge wirken, wie z.B. Preissetzung, Zinsen, Preise für Währungen, technologische Standards aber auch Wohlstandsnormen, Urbanisierung, Mobilität, Lebensstile etc. 3. These: Durch die Revolutionierung der Informations- und Kommunikationstechnologie und des Transportes sowie die Verbilligung der Energie gibt es keine natürlichen (räumlichen) Konkurrenzbarrieren mehr, die Produzenten konkurrieren nur noch über Kosten. Es findet eine unendliche Beschleunigung aller produktiven, monetären, finanztechnischen und sozialen Prozesse statt. Dies hat katastrophale ökologische und soziale Konsequenzen, wie beispielsweise die Beschleunigung des fossilen Ressourcenverbrauchs und die Entwertung von Qualifikationen. 4. These: Globalisierung der Finanzmärkte: 1 200 Mrd. USDollar gehen täglich um den Globus. Die Aktionäre können auf allen Kapitalmärkten gleichzeitig präsent sein und die Renditen vergleichen, wobei 12 % als Minimum für eine Investitionstätigkeit angesehen werden. Der Druck auf die Ausschüttung von Dividenden wird größer. Die Welt kann heute in Gläubiger- und Schuldnerländer unterteilt werden. Die armen Länder sind gezwungen zu exportieren, um Devisen zu erwirtschaften, um ihre Schulden in einer der 3 „harten“ Währungen (US-Dollar, Yen, Euro) begleichen zu können. Dadurch ist keine binnenwirtschaftliche Dynamik erzielbar, die Ökonomien müssen sich auf wenige Exportprodukte konzentrieren. 5. These: Räumliche und zeitliche Grenzen werden niedergerissen und neue Grenzen entstehen. Normen und Standards werden global gesetzt, aber ihre Umsetzung erfolgt immer lokal. Wettbewerbsfähigkeit wird am Standort entschieden. Dabei zählen weniger natürliche Bedingungen wie Bodenschätze und billige Arbeitskräfte, vielmehr geht es um wettbewerbsfähige Synergiefaktoren wie Forschung und Wissenschaft und deren Verknüpfung mit der Politik, Einbeziehung der Gewerkschaften etc. 6. These: Es werden regionale Wirtschaftsblöcke gebildet, um gegenüber den Triadenmächten (USA, Japan, Deutschland) und ihren Währungen konkurrieren zu können. Regionale Wirtschaftsblöcke sind ein Versuch, mit Zahlungs-, Regulierungs- und Währungsgrenzen die Weltstandards mitzubestimmen. 80 % der Bevölkerung leben außerhalb der Triade. Grenzen der GlobalisierungDer Prozess der Globalisierung ist nicht grenzenlos: er muss reguliert werden. Dies erfordert bereits die Ökologie. Wohlstandssteigerungen sind nach dem derzeitigen Modell nur so lange möglich, wie sich nur wenige dieses Modell leisten können. Die „fossilistische“ Industrialisierung basiert auf dem Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen. Die biophysischen Grundlagen der Erde sind jedoch begrenzt und die negativen Effekte des Marktgeschehens können nicht aus der „Einen Welt“ externalisiert werden. Erforderlich ist eine Reduzierung des Verbrauchs sämtlicher Stoffe um 70 – 90 %. Die „neoliberale Konterrevolution gegen Sozialdemokratismus und Sozialismus“ (so ein neoliberaler Denker) erzwingt, mittels IWF und Weltbank, sog. Strukturanpassungen: Deregulierung, Liberalisierung der Preise, die Entwicklungsländer der Konkurrenz subventionierter Produkte aus den reichen Ländern aussetzt; Privatisierung, restriktive Haushaltspolitik, Währungsstabilität (vorrangig vor einem Abbau der Arbeitslosigkeit), Steuersenkungen. Die Politik entmachtet sich selbst, indem sie sich darauf beschränkt, Weltmarktzwänge nachzuvollziehen. Wenn die sozialen Fundamente erodieren, gerät die Demokratie in Gefahr. In Staaten, die nicht mehr in der Lage sind, ihre Bürger zu schützen, könnten antiglobalisierende Kräfte entstehen, die Grenzen wieder errichten wollen. Dieses Autarkiebestreben geht mit Aggressionen nach außen einher. Ein Zurück in bisherige Schutzräume gibt es jedoch nicht. Regulierungsbedarf und HandlungsansätzeEnergiesteuer: Transporte müssen so teuer werden, wie sie wirklich sind. Dies trägt zu einer Regionalisierung der Kreisläufe bei. Die Verkehrspolitik muss reguliert werden. Weltwährungssystem: Notwendig ist ein neues Weltwährungssystem. Steuern: Eine Steuer von 0,5 % auf Devisengeschäfte würde Einnahmen von 300 Mrd. US-Dollar erbringen. Diese sog. „Tobin-Steuer“ könnte für Transfers in den Süden verwendet werden. Die Politik sollte „steuern durch Steuererhebung“ und dadurch zusätzliche Handlungsfähigkeit gewinnen. Kooperation der Gewerkschaften: Die Gewerkschaften sollten sich nicht in das internationale Lohn- und Sozialdumping einspannen lassen, sondern kooperieren und dabei die punktuelle Zusammenarbeit nicht nur mit sozialen Bewegungen suchen. Internationales Handeln sollte bereits Bestandteil der gewerkschaftlichen Funktionärsausbildung (Hospitationen) sein. Ein neuer Solidaritätsbegriff ist erforderlich. Sozial- und Ökologie-Klauseln in internationalen Handelsverträgen: Die Industrieländer müssen in einem ersten Schritt Ungleichgewichte abbauen, dann haben es die Entwicklungsländer leichter, Sozial- und Ökologieklauseln einzuhalten. Produktivitätsfortschritte müssen verlangsamt werden: denn es gibt keine beschleunigte Innovation ohne beschleunigten Ressourcenverbrauch und ohne die Verdrängung menschlicher durch fossile Energie. Gekürzte Mitschrift eines Vortrages von Birgit Mahnkopf am 17. Februar 1997 beim DGB-Bildungswerk / DGB-Landesbezirk in Erfurt. Birgit Mahnkopf ist Professorin für Europäische Gesellschaftspolitik an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin. |
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Download: C9-Globalisierung.pdf |