Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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Seminarphase: Erfahrungen
Erfahrungshebung Über Erfahrungen reden Unsere Erfahrungen sind die Schuhe,
TeilnehmerInnen und ihre Erfahrungen stehen im Mittelpunkt unserer Seminare. Unmittelbar nach dem ersten Kennen lernen soll deshalb in jedem Seminar ausreichend Zeit sein, damit die TeilnehmerInnen ihre Erfahrungen zum Thema einbringen können. Der Prozess der „Erfahrungshebung“ ist jedoch nicht auf den Seminarbeginn beschränkt. Wann immer ein neues Thema besprochen wird, müssen die Erfahrungen der Teilnehmenden „gehoben“ und zum Ausgangspunkt des weiteren Prozesses gemacht werden ( KONZEPT – Erfahrungen stehen im Zentrum des Lernens. A, Seite 23 ). Unsere Erfahrungen sind individuell, aber sie entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern in einem gesellschaftlichen Kontext, der diese individuellen Erfahrungen miteinander verbindet. In jeder individuellen Erfahrung sind deshalb Strukturen der Gesellschaft wieder zu finden. In den Erfahrungen drückt sich zugleich die eigene Position in der Gesellschaft aus: Es ist nicht egal, dass ich meine Erfahrungen im Betrieb als Hilfsarbeiterin mache; Facharbeiter machen andere Erfahrungen. Es ist nicht unerheblich, ob ich eine rassistisch strukturierte Gesellschaft als Schwarze/r erlebe. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass Menschen ihre Erfahrungen für wichtig halten. Die eigenen Erfahrungen und die von Anderen als etwas Wertvolles zu erleben, ist bei vielen Seminaren eine überraschende und wichtige Erkenntnis. Sie legt demokratisches Potential frei, denn viele Lernprozesse leben weniger von einem Wissensvorsprung der ReferentInnen als vielmehr von dem in Erfahrungen gespeicherten Wissen und den Handlungsimpulsen der Teilnehmenden. Dieses Potential zu würdigen und gemeinsam zu nutzen erfordert angemessene Methoden des Lernens. Ziele
Was & Wie? Inhalte und MethodenIn dieser Phase werden Aktivitäten und Methoden angeboten, die geeignet sind, die Erfahrungen der TeilnehmerInnen zum Thema zu machen, die zum Teil über den eigentlichen Schwerpunkt des Seminars hinausreichen. Eine verbale Kommunikation über Erfahrungen erfordert einen sehr sicheren Umgang mit Sprache und setzt das Selbstbewusstsein voraus, die eigenen Erfahrungen für wichtig zu befinden. Sie begrenzt unseren Ausdruck auf unsere Sprache, obwohl wir über weitaus mehr Ausdrucksmöglichkeiten verfügen. Wir schlagen deshalb viele Methoden und Aktivitäten vor, die Visualisierung und Körperausdruck einbeziehen. Der Prozess der Erfahrungshebung besteht aus drei Schritten, die je nach Inhalt, Methode und Zusammensetzung der TeilnehmerInnen unterschiedlich gewichtet sind:
Die folgenden Methoden der Erfahrungshebung können für jedes Seminarthema verwendet werden. Wesentlich an diesen Methoden ist die Visualisierung oder das Darstellen – die Umsetzung eigener Erfahrungen in ein Produkt, das persönliche Erinnerung und Entscheidung über Wesentliches in der eigenen Erfahrungen erfordert.
Erfahrungen zu jedem Seminarthema können auch mit Hilfe der folgenden Methoden gehoben werden. Ausgangspunkt ist hier jedoch eine Vorlage: ein Bild oder ein Text. Die eigenen Erfahrungen können in Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand untereinander ausgetauscht werden.
Ebenfalls für jedes Thema kann die Methode „Arbeitsdefinitionen“ eingesetzt werden, die zwischen Erfahrungen und Analyse vermittelt. Sie ist allerdings sehr kognitiv ausgerichtet (Arbeitsdefinitionen zu Themen mit sehr persönlichem Bezug, wie „Identität“, sollten nur erstellt werden, wenn die Voraussetzungen in der Gruppe gegeben sind).
Alle genannten Methoden lassen offen, über welche Fragen inhaltlich gesprochen wird und welche Erfahrungen die Teilnehmenden in das Seminar einbringen. Wir wünschen uns, dass es in der Erfahrungshebungsphase jedes Seminars Raum gibt, Erfahrungen von Stärke und Schwäche, Macht und Ohnmacht, Angst, Gewalt, Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit, Unterworfensein und Widerstand einzubringen. Es kann gefragt werden, was diese Erfahrungen für den / die Einzelnen bedeuten, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind und in welchem gesellschaftlichen Kontext diese auftreten. An diese Erfahrungen anknüpfend kann auch Rassismus als ein gesellschaftliches Verhältnis begriffen werden, in dem man selbst eine Rolle spielt. Einige Methoden der Erfahrungshebung sind bereits mit inhaltlichen Fragen verknüpft, die auf Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Wahrnehmungsprozesse abzielen:
In unseren Seminaren sind nie alle Erfahrungen vertreten, die in einer Gesellschaft gemacht werden. Das hat teilweise praktische Gründe (bei Jugendseminaren sind keine RentnerInnen anwesend, bei Frauenseminaren keine Männer), teilweise aber auch gesellschaftliche bzw. historische Ursachen. Viele Menschen haben sich beispielsweise noch nie mit den Sichtweisen von Schwerbehinderten auseinandergesetzt und viele christlich oder islamisch sozialisierte Menschen haben noch nie mit Juden gesprochen. Je nach Seminargruppe und Thema kann es sinnvoll oder wichtig sein, sich intensiv auch mit nicht vertretenen Erfahrungen auseinander zu setzen. Was bedeutet es, ausgegrenzt zu werden?
Führt eine Diskussion über die „symbolische Ausbürgerung“ und was sie mit Menschen macht:
Diskussion über ein Erlebnis von Ignaz Bubis:
Wie können Fremdbilder für das eigene Selbstbild bedrohlich werden?
In mehreren Aktivitäten und Arbeitspapieren geht es um Erfahrungen mit Bezug zu den Themen Normen und Normalität / Anders-Sein / Ausgrenzung / Umgang mit Verschiedenheit:
In allen Themenschwerpunkten in Teil C finden sich Aktivitäten und Arbeitspapiere, die auch als Impulse zur Thematisierung von Erfahrungen (zu den jeweiligen Fragestellungen) genutzt werden können. „Erfahrungen zu heben“ heißt für uns nicht nur zu sehen, wie die Welt funktioniert, sondern auch zu fragen, welche Erfahrungen es damit gibt, Regeln zu befragen und zu verändern. In den Erfahrungen liegen immer auch schon Spuren zu Alternativen zum Bisherigen. An die (oft vergessene) Geschichte von migrantischem Widerstand erinnert:
Wir verstehen unsere Seminare auch als einen Ort, um alternative Erfahrungen zu machen. Deshalb nehmen wir uns Zeit, diese auch zu reflektieren. Warum ist unser kooperatives Arbeiten angenehmer als der Arbeitsstil, den wir sonst kennen? Wie schwer war es, andere wieder aus den Schubladen zu entlassen, in die wir sie schon gesteckt hatten? Warum haben wir nicht öfter so viel Zeit für Diskussionen wie bei diesem Seminar? |
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Download: B2-Erfahrungshebung.pdf |