Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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Thema: Arbeit global
![]() Arbeit und Arbeitswelt Die soziale Integration, die finanzielle Absicherung und oft auch der Lebenssinn der Einzelnen orientieren sich in unserer Gesellschaft an der Erwerbsarbeit. Zugleich steckt die Arbeitsgesellschaft in der Krise: Während soziale Absicherungen Stück für Stück abgebaut werden, Arbeitsverhältnisse immer unsicherer und flexibler werden, steigt die Zahl der Erwerbslosen auf hohem Niveau. In dieser widerspruchsvollen Situation kristallisieren sich viele gesellschaftliche Fragen und Konflikte am Thema Arbeit. Das betrifft die Fragen nach der Zukunft sozialer Sicherungssysteme, der zukünftigen Verteilung von Arbeit und dem Zusammenhang zwischen Erwerbsarbeit und Einkommen genauso wie die Diskriminierung von MigrantInnen auf dem Arbeitsmarkt oder die Diskussion um Einwanderung. Oft werden dabei gesellschaftliche Probleme durch einfache Muster erklärt. Nicht mehr die Widersprüchlichkeit und Krise des gesamten Systems wird wahrgenommen, sondern die Probleme werden im Verhalten einzelner Personen oder Personengruppen gesehen („AusländerInnen“, „Sozialschmarotzer“). Der Druck auf ArbeitnehmerInnen, Erwerbslose und SozialhilfeempfängerInnen nimmt kontinuierlich zu. Der Druck auf Erwerbslose wächst, weil sie oft finanziell schlecht abgesichert sind, weil sie Druck und Leistungskürzungen des Arbeitsamtes unterliegen und weil sie gezwungen werden, zu jedem Preis Arbeit zu suchen. Die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse steigt: Immer mehr Menschen haben trotz Erwerbsarbeit kein ausreichendes Einkommen, müssen mehrere Mini-Jobs parallel machen und sind weder sozialversichert, noch haben sie grundlegende Rechte als ArbeitnehmerInnen. Mitten in der Krise der Arbeitsgesellschaft wird das knappe „Gut“ Arbeit zum wichtigsten Gradmesser gesellschaftlicher Integration gemacht. Unter solchen Bedingungen ist jede und jeder potentiell KonkurrentIn eines jeden. Wer nicht gewinnt, bleibt auf der Strecke. Wer keine Arbeit hat, wird verdächtigt, auf Kosten anderer zu leben. Dabei trägt jeder, der nicht auf Teufel-komm-raus Arbeit sucht und Zeiten von Arbeitslosigkeit in Kauf nimmt, statt sich zu jeden Bedingungen zu verkaufen, dazu bei, dass Lohndumping und die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen nicht beliebig ausgeweitet werden können. Einerseits hat diese Gesellschaft mit Massenarbeitslosigkeit zu kämpfen, andererseits darf das Dogma, alle Menschen müssten arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern und glücklich zu sein, nicht angetastet werden. Zugleich werden alle gesellschaftlichen Sphären danach befragt, wieweit sie ökonomisch nützlich sind: Bildung ist nur legitim, wenn sie die Verwertbarkeit des Einzelnen auf dem Arbeitsmarkt erhöht, Kultur wird zum Standortvorteil und Migration ist nur dort erwünscht, wo ein Mangel an überdurchschnittlich qualifizierten ExpertInnen oder ein schneller Bedarf an Arbeitskräften besteht. Der bayerische Innenminister Beckstein brachte das mit dem zynischen Ausspruch „wir brauchen mehr Ausländer, die uns nützen, und weniger, die uns ausnützen“, unverblümt auf den Punkt. In ähnlicher Weise, wie ein Interessenkonflikt zwischen ErwerbsarbeiterInnen und Erwerbslosen in die Gesellschaft hineingetragen wird, wird ein Interessengegensatz zwischen „deutschen“ und „ausländischen“ ArbeitnehmerInnen konstruiert. Mit rassistischen Stereotypen über die „Arbeitsmoral“ von MigrantInnen wird der eigene „Wert“ (von Mitgliedern der deutschen Mehrheitsgesellschaft) auf dem Arbeitsmarkt verteidigt. Je nach Argumentation nehmen MigrantInnen dann den „Deutschen“ die Arbeitsplätze weg bzw. liegen ihnen auf der Tasche, weil sie „doch gar nicht arbeiten wollen“. ZieleDie Widersprüche, in denen sich die Arbeitsgesellschaft befindet, sind anschlussfähig für rassistische, antisemitische und nationalistische Argumentationen, für Diskriminierung und Ausgrenzung. Gerade diese Themen müssen in Seminaren bearbeitet werden. Die Widersprüchlichkeit der Realität und die scheinbare Ausweglosigkeit aus der Arbeitsgesellschaft führen leicht dazu, dass bei einer verkürzten Betrachtung Ausgrenzungsideologien gestärkt werden. Erwerbslosigkeit und Armut werden individualisiert, das vermeintliche „Recht des Stärkeren“ wird salonfähig: wer nicht arbeitet soll auch nicht essen, jedenfalls nicht mehr, als er zum nackten Überleben braucht. MigrantInnen sind darüber hinaus direkt von den Auswirkungen einer sich verändernden Arbeitsgesellschaft betroffen: Flexibilisierung, unsichere Arbeitsverhältnisse, Lohnkürzungen treffen als erste diejenigen in der schwächsten Machtposition. MigrantInnen sind überdurchschnittlich häufig von Erwerbslosigkeit betroffen ( Was & Wie? Inhalte und MethodenArbeitsgesellschaft und Sozialstaat. Im ersten Teil setzen wir uns kritisch mit der Arbeitsgesellschaft, mit Erwerbslosigkeit und sozialer Sicherheit auseinander. Zunächst geht es um die historischen und ideologischen Grundlagen der Arbeitsgesellschaft: Der Das Ebenfalls im Das Die aktuellen „Umstrukturierungen“ der Sozialsysteme und die Repressionen gegen Erwerbslose und EmpfängerInnen staatlicher Leistungen werden im Das Das In der Jugendbildung findet eine Beschäftigung mit dem Thema Arbeit vor allem im Rahmen der „Berufsorientierung“ statt. Jugendliche sollen „fit“ gemacht werden für den Kampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Eine gesellschaftliche Perspektive auf die Probleme wird dabei oft ausgeblendet. Wir plädieren dafür, auch und gerade mit Jugendlichen einen gesellschaftskritischen Blick auf dieses Thema zu wagen. Die Basis dafür ist, dass die eigene Situation und die von anderen (beispielsweise keine oder nicht die gewünschte Lehrstelle zu bekommen, keinen Job zu haben etc.) nicht als individuelles Versagen interpretiert, sondern gesehen wird, dass es vielen so geht. Eine solche Betrachtungsweise kann den Druck mildern, zum politischen Handeln motivieren und zeigen, dass Erwerbsarbeit nicht alles im Leben ist. Als Einstieg kann dabei die Frage „was ist eigentlich Arbeit?“ gestellt werden: Ebenfalls als Einstieg in eine Diskussion kann Zur Thematisierung von Konkurrenz ist die Im Ebenso wichtig wie die Analyse und die Kritik der bestehenden Arbeitsgesellschaft ist die Entwicklung von Gegenentwürfen und Utopien – auf individueller und auf gesellschaftlicher Ebene. Gerade, weil die Handlungsmöglichkeiten für die/den Einzelne/n begrenzt sind, ist es wichtig, kollektive Auswege aus der Sackgasse der Lohnarbeitsgesellschaft zu diskutieren. Anregungen dazu geben der Text Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral von Heinrich Böll (aufgrund von Urheberrechten leider nicht im Baustein; das Buch mit dem einseitigen Text kann beim BWT ausgeliehen werden) und Diskriminierungen in Arbeitsverhältnissen und auf dem Arbeitsmarkt. MigrantInnen sind auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich zur Konkurrenz „aller gegen alle“ in mehrfacher Hinsicht benachteiligt und Diskriminierungen unterworfen. Diskriminierung – d.h. Benachteiligung gegenüber Mitgliedern der deutschen Mehrheitsgesellschaft – findet sowohl in der rechtlichen Schlechterstellung von MigrantInnen ihren Ausdruck, wie auch in sozialen Verhältnissen in den Betrieben: MigrantInnen arbeiten häufig zu schlechteren Bedingungen, zu geringeren Löhnen, haben geringere Aufstiegschancen, sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und oft individuellen Diskriminierungen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Dies zu benennen und in den Diskussionen um Arbeit und Arbeitslosigkeit mit zu berücksichtigen, gehört zum grundlegenden Anspruch einer nicht-rassistischen Bildungsarbeit. Die Materialien zu diesem Themenkomplex sind im Baustein in mehreren Kapiteln zu finden. Neben den Materialien in diesem Teil finden sich auch in KAPITEL C.10, DISKRIMINIERUNG und Texte zu verwandten Themen. Vielfach sind Diskriminierungen nicht zu erkennen, weil sie als gegeben und unveränderbar wahrgenommen werden. Zum Einstieg kann es daher sinnvoll sein, für die ungleiche Strukturierung des Arbeitsmarktes zu sensibilisieren. Dazu ist die Im KAPITEL C.10, DISKRIMINIERUNG
findet sich das Viele SeminarteilnehmerInnen stehen selbst in Arbeitsverhältnissen, in denen Diskriminierungen direkt oder indirekt stattfinden. In fast jedem Betrieb sind rassistische Hierarchien und Arbeitsteilung sichtbar, wenn mensch erst einmal einen Blick dafür entwickelt: Wer arbeitet in welcher Abteilung, wer steigt wie schnell auf, wie sehen Einstellungspraktiken aus? Der Text von Nihat Öztürk Das Das Das Im Seminar können Handlungsmöglichkeiten entwickelt werden, wie innerbetriebliche Diskriminierungen von MigrantInnen wahrgenommen und zur Sprache gebracht werden können: Welche Informationsrechte und Aktionsmöglichkeiten haben Personal- oder Betriebsräte, welche Handlungsmöglichkeiten gibt es für Betroffene und für andere ArbeitnehmerInnen? (siehe KAPITEL C.10, DISKRIMINIERUNG ). Der Streik vornehmlich türkischer Arbeiter bei Ford 1973 ( Die Frage nach der je eigenen Position innerhalb (auch) rassistisch strukturierter Hierarchien und Arbeitsteilung muss in Seminaren thematisiert werden, wenn es um die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt oder um Ausbildungsplätze geht und um die Einstellung oder Kündigung von MigrantInnen. Dazu gibt es die Das Einen Zugang zum Thema Arbeitsmigration aus einem umgekehrten Blickwinkel ermöglicht das ![]() |
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