Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit
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C.7

Thema: Nationalismus
PLANUNGSHILFE

C.7 Thema: Nationalismus; Planungshilfe

Über Nation und Nationalismus

Eine kleine Kritik der Nation

Die billigste Art des Stolzes ist der Nationalstolz.
Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel
an individuellen Eigenschaften,
auf die er stolz sein könnte.
(Arthur Schopenhauer)

Des Echten Deutscher bester Freund
ist nach wie vor der Echte Deutsche Schäferhund.
Er hat so was Menschliches.
(Dietrich Kittner)

Die Parole von der nationalen Identität
spielt die Sicherheit gegen die Unsicherheit
einer widerspruchsvollen Wahrnehmung der Wirklichkeit aus.
(Detlev Claussen)

Wer sich mit Rassismus auseinandersetzt, stolpert unweigerlich über nationalistische Argumente. „Das Boot ist voll“ ist ein sprachlich bemühtes Bild, das ausdrücken soll, dass in „unser Land“ nicht jede und jeder rein darf. Der CSU-Politiker Zeitlmann meinte sogar: „Das Boot ist mehr als voll, es sinkt bereits“. Ganz selbstverständlich wird auf ein deutsches „Wir“ zurückgegriffen, um sich von den „Anderen“ abzugrenzen und in der Folge diese „Anderen“ wahlweise zu integrieren oder auszugrenzen.

Ist, wer stolz auf Deutschland ist, auch ein Rassist, oder erst dann, wenn er darauf besteht, dass sich „Andere unserer Leitkultur anzupassen haben“? Ist Nationalismus schlimm oder ganz normal? Diesen Fragen wollen wir nachgehen.

„Aber ich bin doch Deutscher!“ hören wir, wenn das Gespräch um Diskriminierungen, um Multi-Kulti oder auch nur den Fußball kreist. Uns interessiert, was Menschen mit „deutsch sein“ verbinden. Oft wird diese Frage mit dem Hinweis auf kollektive Eigenschaften beantwortet: „Deutsche sind Dichter und Denker, ordentlich und fleißig, angesehen in der Welt …“ „Dazuzugehören gibt mir Sicherheit, es garantiert mir, dass ich aufgrund des Deutsch-Seins Ansprüche und Rechte habe.“ Um zu verstehen, wie nationale Zugehörigkeitsgefühle funktionieren, ist es nützlich, ein wenig über Geschichte und Ideologie von Nation im allgemeinen und Deutschland im besonderen zu wissen.

Warum klammern sich die Menschen so an Heimat, an ihre Nation, an Deutschland? Hängt das mit einer immer undurchschaubareren Welt zusammen? Und wo bestehen die Verbindungen zum Wunsch nach Macht und dem Aufgehen in einer starken Gemeinschaft? Was steht hinter dem Gefühl von Gemeinschaft und Nation?

Eine aktuelle IG Metall Jugendstudie von Seddik Bibouche und Josef Held (2002) kommt zum Ergebnis, „dass Jugendliche nationalen Orientierungen stärker zustimmen als internationalen.“ (Bibouche / Held, S. 13; siehe auch HINTERGRUNDWarum rechte Einstellungen zunehmen — auch in Gewerkschaften. B.3, Seite 78 )

Mehrheitlich stimmen die befragten Jugendlichen der Aussage, „wir sollten uns wieder mehr an den deutschen Tugenden wie Fleiß, Ordnung und Sauberkeit orientieren“, zu. Auch die Befürwortung der Aussage, „wer in Deutschland lebt, sollte sich auch an die deutsche Kultur anpassen“, (ebd. S. 97) ist sehr hoch. Die Autoren stellen fest, dass der biologische Rassismus (die Annahme biologischer Ungleichheit sogenannter „Rassen“) abnimmt, ausgrenzender Nationalismus jedoch deutlich zunimmt. Sie sehen eine Verbindung zwischen der Zunahme national ausgrenzender Orientierungen mit dem Anstieg autoritärer Werte wie Anpassung und der Durchsetzung von eigenen Normen gegenüber abweichenden Verhaltensweisen.

Unsere Ziele, Inhalte und Methoden

In diesem Kapitel wollen wir Nationalismus und die Bedeutung und Geschichte von Nationen näher beleuchten und dem nachgehen, was Menschen mit Deutsch-Sein verbinden.

HINTERGRUNDKein schöner Land. C.7, Seite 286

gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte des modernen Nationenbegriffs und verschiedene Theorien, die Nation und Nationalismus erklären.

Uns geht es aber nicht nur um das Erklären. Die Überschrift „Kritik der Nation“ soll anregen, nicht nur den übersteigerten Nationalismus von Rechtsextremen kritisch zu betrachten. Wie sieht ein „normaler“ Nationalismus aus? Was ist Patriotismus? Wir behaupten: Im Kern gibt es außer in der Intensität des Gefühls oft keine großen Unterschiede zwischen Patriotismus und Nationalismus. Die Grenzen zum sogenannten übersteigerten Nationalismus sind fließend und ändern sich je nach gesellschaftlicher Situation und aktuellen Anforderungen.

Die folgenden beiden Materialien widmen sich dem Verhältnis zwischen Nationalismus und Patriotismus:

Nationale Töne werden derzeit neben der Einwanderungsdiskussion vor allem in der Standortdebatte laut. Siehe dazu:

In unseren Seminaren erleben wir ganz unterschiedliche Ansichten zu Nation und Nationalismus. Wir wollen diese in die Diskussion bringen. Wichtig ist uns dabei, die Vorstellung einer Natürlichkeit von Nationen kritisch zu hinterfragen.

Für uns gehört zu Nationalismus die Konstruktion von Fremdbildern, die als Gegenbilder parallel zu nationalen WIR-Bildern konstruiert werden, bzw. die deren notwendige Mitbedingung sind. Nationale Eigenbilder bilden sich erst in der Abgrenzung heraus. Deutsche sind keine Juden / Franzosen / Türken / Schwarzen. So entsteht Identität in der Negation: ohne die Anderen gibt es kein WIR!

ARBEITSPAPIERWas ist deutsch?. C.7, Seite 290

widmet sich der Frage, was von den sogenannten typisch deutschen Errungenschaften tatsächlich einen deutschen Ursprung hat und was uns dazu einfällt, wenn wir „deutsch“ nicht über Abgrenzung definieren, sondern den Begriff inhaltlich füllen wollen.

Die Homogenisierung des Staatsvolkes und die Funktion von Nationalismus als Integrationsideologie und Kittideologie, sei es auf dem Gebiet des Sports oder der Standortgemeinschaft, wird aufgegriffen mit der

AKTIVITÄTWir sind wieder wer. C.7, Seite 294

ARBEITSPAPIERTatort Weltmeisterschaft. C.7, Seite 295

erlaubt darüber hinaus einen Blick, wie Deutsche im Ausland gesehen werden und was die Außensicht für unser Selbstbild bedeutet.

Nationalismus steigert sich, sobald er in Bedrängnis gerät. Denn das Gefühl von Zugehörigkeit kann niemals ganz befriedigt werden. Dass, wenn von Deutschen die Rede ist, meistens Männer gemeint sind, zeigt das

Die Aussagen des Lieds der Prinzen können leicht in ein Meinungsbarometer umgesetzt werden, mit dem die TeilnehmerInnen darauf befragt werden können, wie sie selbst zu Aussagen wie „Wir sind das freundlichste Volk auf dieser Welt“ oder „Wir sind jederzeit für’n Krieg bereit“ stehen. Nähere Hinweise zum Meinungsbarometer findet ihr in

Wir regen an, die eigenen Identifikationen zu reflektieren, ihre Pluralität herauszuarbeiten und homogene Vorstellungen (die Deutschen, die Türken) zu verwerfen. Dabei wollen wir herausfinden, wie Nationalismus wirkt, nationale Slogans durchschauen und kennen lernen, was Ausschluss bzw. die symbolische Ausbürgerung aus der Nation bedeuten:

Der Pass

Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustand kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.
(Bertolt Brecht)

Besonders empfehlen möchten wir euch auch die

AKTIVITÄTBilder von Deutschland: Wir haben sie auf der Webseite www.daf-portal.de/typisch/index.html gefunden. Die Fotoaktivität zeigt auf lustige Weise die „Macken von Deutschen“.

Wir möchten Misstrauen gegenüber einer deutschen Normalitätsperspektive fördern, die sich mit Schlussstrichaussagen einer kritischen Auseinandersetzung mit Nationalismus und historischer Verantwortung für die „im deutschen Namen begangenen Verbrechen“ entzieht. Denn eine falsche nationale Traditionspflege ist für die Zukunft gefährlich. „Vergessen oder Missverstehen von Geschichte ist ein wesentliches Moment bei der Herausbildung von Geschichte.“ (Ernest Renan). Hinweise gibt das

Das Verhältnis von Staatsangehörigkeit und Nation wird thematisiert mit:

HINTERGRUNDStaatsangehörigkeitsrecht in Deutschland und Europa. C.7, Seite 298

ARBEITSPAPIEROlle Kamellen. C.7, Seite 300

Dieses vertiefende Arbeitspapier zeigt, dass die Debatten um Staatsbürgerschaft und Zuwanderung in Deutschland eine Tradition haben. Die Tatsache, dass bereits 1913 über Einwanderung diskutiert wurde, kann deutlich machen, dass Deutschland bereits seit über 100 Jahren Einwanderungsland ist – also gar kein neues, schwer zu verarbeitendes Phänomen erlebt.

Wir möchten Gefühle deutscher Überheblichkeit analysieren und nationale Identität als Konstrukt hinterfragen, z.B. mit

Und so ist das umsetzbar

Wir meinen, dass Nationalismus auf verschiedenste Weise im Seminar zum Thema gemacht werden kann:

  1. Ausgehend von Äußerungen im Seminar, die Identifikationen und Feindbilder betreffen, z.B.: „Ich bin doch deutsch“ / „man kann doch wohl stolz auf Deutschland sein dürfen“ / „Die Türken …“ / „Die Amis …“ usw., aber auch „deutsche Wertarbeit“ und der wohl mittlerweile berühmt-berüchtigte Slogan von den Ausländern, die die Arbeitsplätze wegnähmen.

    Anlässlich solcher Äußerungen sollten wir uns Zeit nehmen, zu diskutieren, was nationale, regionale und betriebliche Zugehörigkeiten uns bedeuten, z.B. mit

  2. Ausgehend von den drei Seminarphasen bieten sich folgende Zugänge an:

    Kennenlernen / Erfahrungshebung, Identifikationen, plurale Zugehörigkeiten und Gruppen:

    Analyseteil Nation und Gesellschaft:

    In der Handlungsphase können alternative internationalistische Handlungsmöglichkeiten reflektiert werden, wie:

Übersicht
A
Idee, Hintergrund, Konzeption
B.1
Jetzt geht's los!
B.2
Erfahrungen
B.3
Gesellschaft begreifen
B.4
Tu was!
B.5
Wie die Zeit verging
B.6
Themenungebundene Methoden
C.1
Von Vor- und anderen Urteilen
C.2
Antisemitismus entgegentreten
C.3
Rassismus als gesell. Verhältnis
C.4
Rassismus und Sprache
C.5
Sicherheit und Gewalt
C.6
Rechte Bilderwelten
C.7
Nation und Nationalismus
C.8
Migration
C.9
Weltarbeit und Wirtschaftswelt
C.10
Diskriminierung
D
Literatur, Medien, Adressen
E
Register, Inhalt
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